Partnerschaft

Leistungsdruck in der Beziehung

Kennt Ihr das, diese tolle Anfangszeit des Kennenlernens und dann der Beziehung? Man läuft den ganzen Tag mit kleinen Herzchen in den Augen herum und findet den anderen als Menschen perfekt. Einfach so schön. Und bestimmt kennt Ihr auch das Gefühl, sich für die neue Liebe von der besten Seite präsentieren zu wollen. Der andere muss ja nicht gleich wissen, dass wir eine Schwäche für nächtliche Ausflüge an den Kühlschrank haben. Oder uns im ausgebeulten Sweatshirt und Jogginghose auf der Couch sehen, wo wir gerne Trash-TV gucken. Nein, wir verbringen unsere Zeit natürlich nur sinnvoll, lesen abends Schiller und trinken dabei preisgekrönten Rotwein. Ein bisschen spielt man die Rolle des besseren Ich.

Soweit, so normal (und ja auch ein bisschen niedlich, dieser Eifer). Schwierig wird es, wenn dieser Zustand nicht nachlässt und man anfängt, permanent eine Rolle für den anderen zu spielen. Wenn sich ein Leistungsgedanke und Druck in die Beziehung einschleichen und die Illusion der Vollkommenheit immer aufrechterhalten werden muss.

Optimieren auch in der Beziehung

Das dauernde Super-Optimieren greift um sich. Jeder muss immer an sich arbeiten und noch besser aussehen, mehr verdienen, den tolleren Job haben. Der Druck, in anderen Lebensbereichen immer das perfekte Selbst sein zu müssen, kommt dann auch in der Liebe an und beschert uns Stress und Leistungsdruck in der Beziehung. Wir wollen möglichst den idealen Partner haben, der uns auf jeder Ebene ergänzt, gut aussieht, interessant ist und immer für uns da ist. Und denken natürlich, dass der andere eine ebenso gute Performance von uns selbst erwartet.

Keine Überraschung also, dass eine der größten Ängste in Beziehungen die eigene Unzulänglichkeit ist (und das trifft auf Männer wie Frauen zu). Wer von sich selbst glaubt, dass er nicht gut genug ist, kommt dann auf die Idee, für den Partner erst recht nicht gut genug zu sein. Und in der nächsten Dating-App wartet ja schon der oder die Nächste, die Person, die viel perfekter für den Partner als man selbst sein könnte! Gefühlt halten ja Beziehungen angesichts des reichlichen Angebots heute sowieso viel kürzer – da ist die Verlustangst gleich noch mal größer.

Fehler als Form des Vertrauens

Jetzt mal eine gute Nachricht in diesem Beitrag: Leistungsdruck in der Beziehung hat absolut nichts in dieser zu suchen. Wenn Ihr in Eurer Partnerschaft immer abliefern müsst, dann hat es vielleicht mit Liebe einfach nichts zu tun.

Daran zu glauben, dass man mit seinen Unvollkommenheiten und Fehlern, mit der Jogginghose und Trash-TV genauso geliebt wird, ist eine Form des Vertrauens. Und dafür braucht man ein gutes Selbstvertrauen und Mut. Das lohnt sich aber auch, denn so entsteht eine tiefe Verbundenheit. Was gibt es Tolleres als jemanden, der dich genau kennt und eben dafür liebt?

Was ist die Moral dieses Beitrags? Erstens: Leistungsdruck aus der Beziehung verbannen und die Ansprüche an sich selbst und den Partner auch mal runterschrauben (das heißt nicht, dass sich niemand mehr Mühe geben sollte). Zweitens: Lasst eine wirkliche Nähe durch Euer ehrliches Selbst entstehen, akzeptiert Schwächen und lasst den Optimierungswahn. Drittens: Wenn Ihr das Gefühl habt, auch in der Partnerschaft immer perfekt funktionieren zu müssen, ist es Zeit, daran etwas zu ändern.

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Ein bisschen spielt man die Rolle des Besseren Ich

Jacqueline Wilzopolski
Autorin
Jacqueline
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