Umwelt-Blog

Honigbiene gegen den Rest der Welt

Wer kennt nicht die Biene Maja? Mit ihrem Freund Willi zog sie aus in die Welt, um Abenteuer zu erleben – was Bienen halt so machen. Aber auch im echten Leben haben wir Menschen (oder zumindest viele von uns) die Biene ins Herz geschlossen: Mit ihrer braun-gelben Streifenkleidung, ihren neckischen Pollenhöschen an den Beinen und ihrem pelzigen Oberkörper sieht sie ganz possierlich aus und vor allem bringt sie uns den leckeren Honig. Und was kann man nicht sonst noch alles von der Biene erhalten? Aus dem Wachs machen wir uns Kerzen oder cremen damit unsere Schuhe ein, das Gelee Royal wird mancherorts als Wundermedizin gegen alles gehandelt und selbst der doch recht schmerzhafte Bienenstich findet Einsatz als Behandlung gegen Rheuma (oder dient zumindest als Namensgeber für einen Kuchen).

Und eben weil das so ist, haben wir Menschen die Honigbiene als Nutztier entdeckt. Und eben weil es nun einmal in unserer Natur liegt (und ehrlicherweise auch gar nicht anders darstellbar ist, will man der herrschenden Nachfrage ein ausreichendes Angebot gegenüberstellen), haben wir den Ertrag dieses Nutztiers optimiert – und damit haben wir, mal wieder, eine ganze Reihe von Problemen erzeugt:

Auf der einen Seite sind durch die Bienen-Ertrags-Optimierungsmaßnahmen eine ganze Reihe von Krankheitsbildern entstanden, die in den ursprünglichen, natürlichen oder zumindest naturnahen Bienen-Populationen unbekannt waren. Einer der bekanntesten Vertreter hiervon ist die Varroamilbe, welche die Bienen bereits im Larvenstadium befällt, schwächt und damit seit einigen Jahren als eine der Hauptursachen für das seuchenartige Bienensterben gilt. Auf der anderen Seite wird die Honigbiene mancherorts selbst zum Problem, kommt ihr doch kein anderes Insekt auch nur nahe, wenn es um Reichweite und schiere Masse von erschließbaren Nahrungsquellen geht: Die Honigbiene ist als Nahrungs-Generalist so effektiv, dass sie den oftmals hochspezialisierten Wildbienen (und anderen Insekten) die Nahrung wegfrisst, sodass diese dann verhungern müssen. In der Natur ist dies kein Problem, da sich über kurz oder lang ein Gleichgewicht einpendelt – aber auch hier haben wir Menschen optimierend eingegriffen:

Unsere Landwirtschaft besteht zumeist aus großen Monokulturen; einfach in der Handhabung, hoch im Ertrag. Diese Monokulturen sind für die meisten Insekten wenig interessant. Mal abgesehen davon, dass die Monokulturen erheblich mit Pestiziden belastet sind und ein Aufenthalt für Insekten damit in etwa so gesund ist wie für Menschen eine Besichtigung der Reaktorblöcke 1-3 von Fukushima, bieten sie den meisten Insekten auch schlicht keine Nahrung. Also müssen die Honigbienen ran, welche wenig mäkelig in der Nahrungswahl sind. Leider sind Honigbienen nicht wie Hunde abzurichten ("Du, Biene, bestäubst jetzt nur das Rapsfeld!"), sondern sie steuern einfach alle Nahrungsquellen in Reichweite an. Damit das mit der Bestäubung der Monokultur dann auch klappt, kommt wieder der Mensch gelaufen und stellt einfach jede Menge Bienenstöcke rund um die Felder auf – viel hilft viel! Die Bienen fallen dann wie die 8. biblische Plage über die Umgebung her und fressen alles, was ihnen unter die Saugrüssel kommt. Folgerichtig müssten sie im nächsten Schritt dann eigentlich alle verhungern, weil ja alles aufgefressen ist. Aber auch hier kommt der Mensch gelaufen und optimiert: Die Bienen werden eingesammelt und zur nächsten Monokultur gefahren, wo das Spielchen von vorne beginnt. Verhungern tun nur alle anderen, die nicht zum nächsten Restaurant gefahren werden.

"Und wo ist jetzt das Problem?" wird sich so mancher fragen. "Ham wa halt nur noch Bienen – die anderen Viecher haben mich eh genervt." So einfach ist es natürlich auch hier wieder nicht: Zum einen gibt es Pflanzen, die von (Honig-) Bienen überhaupt nicht bestäubt werden können, sondern nur von spezialisierten Insekten. Diese werden aber teilweise von dem "Honigbienen-Overkill" in den Hungertod geschickt. Zum anderen erreichen Honigbienen zwar extrem viele Pflanzen, allerdings ist der Bestäubungserfolg bei Honigbienen aus einem noch unklaren Grund geringer als bei anderen Insekten; die Pflanzen werden zwar bestäubt, tragen aber weniger Früchte als bei einer "natürlichen Insektenmischung". Mal ganz abgesehen von der Kaskade an komplexen Zusammenhängen (welches Gleichgewicht benötigt die Insektenpopulation vor Ort, welche Räuber und Beutetiere hängen wiederum von diesen Insekten ab usw.).

Kurzum: "Rettet die Bienen" ist gut als Schlachtruf für eine wichtige Sache, aber nicht gut als alleiniges Rezept zur Stabilisierung des Ökosystems. Zum einen ist die Honigbiene eines der ganz wenigen Insekten, welches (zwar nicht hierzulande, dafür aber weltweit in Summe) in der Anzahl wächst. Zum anderen bringt der alleinige Fokus auf die Honigbiene mehr Probleme als Lösungen mit sich. Wie so oft bei diesen komplexen, ökologischen Fragestellungen ist daher das richtige Gleichgewicht der einzige Schlüssel zum Erfolg.

 

Robert Richter
Autor
Robert Richter
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